Die haben es gut, die sich bei hochsommerlichen Hitze im Wasser erfrischen können. In Zeiten, da es Badeanstalten noch nicht gab, suchten Mensch und Tier die Abkühlung und Erfrischung an offenen Gewässern, wenn sie denn durften. In der Stadt sind es die Brunnen, an denen man zumindest für eine kurze Zeit Erfrischung erfährt. Und nicht nur Kinder plantschen gern in den oder um die Brunnen herum oder nutzen das Nass zur Abkühlung.
Eine besondere Erfrischung bietet auf einem Jugendstil-Brunnen von Mathias Gasteiger in München der Satyr einem Knaben, der ihm das Wasserrohr zuhält: Er speit ihn an und spritzt ihn so nass. „Brunnengruppe Satyrherme und Knabe“ heißt der Brunnen, der 1895 am Münchener Stachus aufgestellt wurde und heute am Ende der Neuhäuser Straße steht. Allgemein wird er aber nur „Buberlbrunnen“ oder das „Brunnenbuberl“ genannt.
Das „Brunnenbuberl“ wurde aber nicht nur wegen des besonderen Motivs über die Stadt hinaus schon bald bekannt. Weil der den Satyr ärgernde Knabe nackt ist, wurde er zum Skandal. Der Künstler bekam für die Bubenfigur an die 300 Höschen geschickt, der Prinzregent Luitpold machte den Vorschlag, den Knaben mit einem Feigenblatt zu versehen, was der Künstler sich verbat.
Sogar literarisch ist das Brunnenbuberl geworden: Der Schriftsteller Ludwig Ganghofer hat dessen Geschichte in einem „heidnischen Mondscheinspuk“ mit dem Titel „Brunnengruppe“ verarbeitet, in dem das Brunnenbuberl lebendig wird und sich beim Satyrn über die prüde Menschheit beklagt, die es auf einmal unsittlich gefunden und ihm ein Badehöschen angezogen hat:
Weißt, Spitzohr, man mußte mich kleiden, / weil die frommen Leut’ das Nackte nicht leiden. / Hab gar nicht gewußt, daß ich nackicht wäre. / Die Frommen, die nahmen mich erst in die Lehre! / Ach Du! Da hat man mir beigebracht, / an was ich mein Lebtag nicht hätt’ gedacht! / Der Meister Zelot, der fromme Schneider, / der nahm mir das Maß da für die Kleider, / und hat gemessen so lang und genau, / bis ihn beim Schopf nahm seine Frau. / Und die Jungfer Schamhaft hat doppelt genäht, / damit mir das Höschen recht sittig steht …“
Postkarten aus dieser etwas prüden Zeit um die Wende zum 20. Jahrhundert illustrieren die Vorschläge. In seiner natürlichen Schönheit kann man – wie Ganghofer in der Einleitung zu seinem Spiel schreibt – „die schlanke, zarte, keuschgeformte Knabengestalt des ,Brunnenbuberls‘“ nach wie vor schauen – nur dann nicht, wenn wegen Bauarbeiten an umstehenden Gebäuden der Brunnen eingerüstet ist, um das künstlerische Werk vor Beschädigung zu schonen. Wäre ja auch schad’ drum. Guido Fuchs
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