Um es vorweg zu sagen: Das Jugendbuch »Durchs Grenzland« von Anke Höhl-Kayser ist kein Feelgood-Roman. Die Protagisten haben manches zu erleiden. Es geht um Mobbing, Antisemitismus, häusliche Gewalt. Wir lesen von Konflikten, Gewalt und Krankheit. Aber auch vom Willen zur Versöhnung und Wiedergutmachung: Dies ist die Geschichte von Jonathan und David:
Nach der Trennung seiner Eltern kommt Jonathan, 16, neu in Davids Klasse. Schnell wird er gemobbt: David und seine Clique machen sich über seinen schwäbischen Dialekt lustig und drangsalieren ihn, weil er Jude ist. Auf einer Klassenfahrt erinnert Jonathan sich daran, wo er David schon mal gesehen hat. Doch bevor er dessen Geheimnis verraten kann, stößt David Jonathan vor einen fahrenden LKW.
Jonathan überlebt die Attacke, liegt aber im Koma. Im Grenzland zwischen Leben und Tod begegnet er seinem verstorbenen Großvater. Dieser schickt ihn auf eine Spurensuche: Warum hat David so gehandelt?
Jonathans Großvater, der Anfang der 1990er-Jahre als sog. Kontingentflüchtling aus der ehemaligen Sowjetunion nach Deutschland kam, war ein weiser Mann. Er erklärte seinem Enkel, dass er sich das Leben wie ein Stück Tuch auf einem Webrahmen vorstellen soll. Die Fäden, die in verschiedenen Farben verwebt werden, bilden das Lebensmuster, das Zusammenspiel von Menschen, Beziehungen, Entscheidungen und Situationen. Aber manchmal geraten diese Fäden durcheinander, verknoten und verwirren sich. Das Lebensmuster ist gestört. Wenn man diesen Knoten entwirren will, hilft es, den Anfang des Fadens zu finden. In verknoteten Beziehungen muss man versuchen zu verstehen, wieso sich der Knoten gebildet hat. »Verstehen ist der Anfang des Fadens.« Wenn man diesen Anfang hat, kann man die Fäden entwirren und das Muster weiterweben.